Bericht über die Diskussionsveranstaltung der Senioren-Union, Kreisverband Pinneberg.
Premierminister Boris Johnson hat für den Brexit erneut eine Fristverlängerung bis zum 31. Januar 2020 beantragt. Ob er bis zu diesem Termin vollzogen werde, ob mit Deal oder ohne stehe nach wie vor in den Sternen, erklärte Dr. Nicolas Sölter, Rechtsanwalt in der deutsch-britischen Wirtschafts-Kanzlei Freshfields - Bruckhaus - Deringer anlässlich einer Diskussionsveranstaltung der Senioren-Union des Kreisverbands Pinneberg vor ca. 70 interessierten Besuchern.
Ein Schwerpunkt seines Vortrags lag auf dem Backstop. „Hier prallen neben der historischen Last des Nordirland-Konflikts die wirtschaftlichen Interessen der Republik Irland und des Vereinigten Königreichs aufeinander“, so Sölter. Den jüngsten Kompromiss bezeichnete er als Vertagung des eigentlichen Problems. Der Backstop sei für die britischen Konservativen vor allem deshalb so entscheidend, weil ein Verbleib in der Zollunion der EU eigene Handelsabkommen ausschließe. Die seien aber ein Hauptargument für den Brexit gewesen. Der bisherige Backstop sei für die Konservativen deshalb indiskutabel. Ob sich der jetzige Kompromiss als tragfähig erweise, würden erst die Verhandlungen über die Details zeigen. Auf jeden Fall regele das neue Austrittsabkommen nicht die künftigen Beziehungen zur EU. Es sei ein weitverbreiteter Irrtum, dass das Theater dann vorbei sei.
Auf eine Publikumsfrage nach einem zweiten Referendum zeigte sich Sölter selbstironisch. Selbst viele Kritiker des Brexit würden das Ergebnis der Volksabstimmung respektieren. „Ich hätte vor kurzem ja auch gern eine Wahl gewonnen, aber als Demokrat muss man die Entscheidung der Mehrheit nun mal akzeptieren“, spielte er auf seine Kandidatur um den CDU-Kreisvorsitz an. Es gebe eine tiefe Spaltung in der britischen Gesellschaft. Junge Menschen fühlten sich betrogen. Sie müssten sich aber auch vorwerfen lassen, dass sie nicht zur Wahl gegangen seien.
Zwar seien die meisten Prognosen zum Brexit Kaffeesatzleserei, es stehe aber fest, dass das Thema Europa noch lange begleiten werde. Denn selbst, wenn die Briten dem Austrittsabkommen endlich zustimmen würden, gebe es noch genug Arbeit. Verhandlungen über die Details der künftigen Zusammenarbeit stünden dann an, sei es im Rahmen eines Freihandelsabkommens oder vergleichbarer Rechtsrahmen.
Der Brexit sei ein Paradebeispiel dafür, dass Volksabstimmungen nicht die richtige Antwort auf komplexe Fragen seien. Man könne froh sein, dass angesichts der Planlosigkeit auf britischer Seite von der EU bislang ein hohes Maß an Professionalität an den Tag gelegt werde. „Der Brexit hat bei all seinen Schattenseiten zu einem Schulterschluss der verbleibenden Mitgliedstaaten gesorgt“. Auch das sei eine Chance.
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